Auf Entdeckungstour mit dem Kinderwagen

- spielt die Blickrichtung deines Babys eine Rolle?

Kinderwagenaufsätze kann man heute meist so montieren, dass das Baby nach vorn Blick oder zu den Eltern. Hast du schon mal darüber nachgedacht, ob die Blickrichtung deines Babys im Kinderwagen eine Rolle spielt, wenn ja welche und ab wann welche Blickrichtung für dein Baby geeignet ist? Ich selbst wäre ohne den Hinweis einer Freundin nicht auf die Idee gekommen, darüber nachzudenken. Heute bin ich ihr sehr dankbar für diesen Tipp.

Gab es Kinderwagen schon immer?

Der Kinderwagen ist eine noch recht junge Erfindung. Er kam erst im 19. Jahrhunderts auf den Markt. Die ersten Modelle waren nur für sitzende Kinder geeignet. Das bedeutet, dass die Kinder in der Zeit davor u.a. noch in Tüchern transportiert wurden. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts gab es erste Kinderwagen, in den das Baby liegend geschoben werden konnte. Damals wurde der Kinderwagen besonders in gehobenen Kreisen genutzt, da es zum guten Ansehen gehörte, sein Kind von Ammen betreuen zu lassen und mit Abstand zu transportieren. Heute gehört der Kinderwagen zur Babygrundausstattung. Fast jedes der zahlreichen Modelle ist mit einem Aufsatz erhältlich, der sowohl vorwärts als auch rückwärts gerichtet montiert werden kann.

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Auf Entdeckungstour mit dem Kinderwagen

Beim Spaziergang mit Mama und Papa lässt sich aus dem Kinderwagen heraus viel Neues entdecken. Kinder sehen die Welt mit eigenen Augen. Es gibt für sie jeden Tag etwas Neues zu erleben und zu entdecken . Sie wollen aus dem Wagen schauen. Eltern möchten ihr Kind natürlich nach bestem Wissen und Gewissen begleiten und fördern. Dies ist für Eltern oft der Anlass, ihr Kind mit Blick nach vorn gerichtet im Kinderwagen zu fahren, spätestens dann,  wenn ihr Kind sitzen kann. Eltern möchten damit der kindlichen Neugier nachkommen und nehmen an, dass dies ihr Kind fördert und sie dadurch möglichst schnell mit der zu entdeckenden Welt vertraut werden.

Kinder bekommen viele Eindrücke

Kinder reagieren jedoch noch viel feinfühliger auf die Sinneseindrücke als Erwachsene. Während wir einzelne Informationen nach der Wichtigkeit differenzieren und aussortieren können, kann dies ein kleines Kind noch nicht.

Für ein Kind ist jeder Geruch, jedes gesehene Teil wichtig. Das kann unter Umständen überfordern. Versetzen wir uns einmal in die Lage des Babys im Kinderwagen: Was sieht das Kind z.B. in einer Menschenmenge auf seiner Höhe? Es sieht viele Beine, die an ihm vorübergehen, es hört zahlreiche Geräusche (Gespräche, Automotoren, evtl. Musik) und sieht viele Farben. Es sieht vielleicht Häuser und Straßen und Autos vorbeiziehen. Ein Kleinkind lernt erst, diese vielen Eindrücke nach wichtig und unwichtig zu unterscheiden. Zunächst kommen alle Eindrücke gleich stark in seiner Wahrnehmung an (Reizüberflutung). Da sich Babys noch nicht wie Erwachsene sprachlich ausdrücken können und damit sagen können, was ihnen zu viel ist, drücken sie das mit den Mitteln aus, die ihnen zur Verfügung stehen. Und das sind Weinen oder Jammern. Viele Kinder sind zunächst von den Eindrücken so überwältigt, dass sie ihre Überforderung nicht sofort mitteilen können. Häufig äußert sich dies erst am Abend, wenn es ruhiger und vertrauter um sie herum wird und sie die Eindrücke des Tages verarbeiten. Viele Eltern sind dann erstaunt, warum ihr Baby auf einmal unruhig ist oder schreit. Obwohl doch der Tag soweit in Ordnung zu sein schien und ihr Kind den ganzen Tag über ausgeglichen und zufrieden war.  

Welche Blickrichtung des Kindes im Kinderwagen ist hierbei förderlich? 

Soviel schon mal vorweg: wie so oft ist auch in diesem Fall weniger mehr.

Beide oben beschriebenen Reaktionen des Kindes können bedeutet, dass das Kind verängstigt sein kann bzw. mit den vielen Eindrücken noch nicht umgehen kann. In diesem Augenblick braucht es den Schutz seiner Bezugsperson und sucht den Blickkontakt zu Mama oder Papa und möchte sich zurückziehen.

Was ist, wenn die Eltern nicht im Blickfeld sind?

In einem vorwärts gerichteten Kinderwagen ist der Blickkontakt zu Mama oder Papa nur schwer möglich. Deswegen sehen dies auch Spezialisten sehr kritisch. Das Kind empfindet vielleicht emotionalen Stress. Es fühlt sich überfordert, allein gelassen und eingeschüchtert von der Welt. Dies schadet nicht nur dem Kind, sondern auch dem Vertrauen zu seiner Bezugsperson. Als Erwachsener geht es uns ähnlich, wenn nach einem stressigen Tag die Gedanken abends im Bett um alle möglichen Dinge kreisen. Dann können wir meist auch schlecht schlafen und zur Ruhe kommen. Ein kleines Kind hat jedoch noch nicht gelernt wie ein Erwachsener zu unterscheiden oder über sein Erlebtes zu reden, um es zu verarbeiten. Außerdem benötigen kleine Kinder ihren Schlaf noch weitaus dringender als ein bereits ausgewachsener Mensch. Der Schlaf ist ein Prozess von verschiedenen Phasen, in dem der Mensch Erlebtes wiederholt, wichtige Informationen aussortiert und festigt beziehungsweise abspeichert.

Ohne ausreichend Schlaf, kann es unter anderem zu Entwicklungsstörungen kommen. Dies als auch schlaflose Nächte wünscht sich kein Elternteil.

Daher empfehlen Experten, das Kind erst nach der Vollendung des zweiten Lebensjahres mit der Blickrichtung nach vorn im Kinderwagen zu fahren. Wobei die meisten Kinder dann wohl bereits auf ihren eigenen Beinen spazieren gehen möchten.

Wie wirkt sich ein zur Bezugsperson gerichteter Kinderwagen aus?

Die Fahrt im Kinderwagen mit Blick zur schiebenden Person ermöglicht dem Kind jederzeit den Blickkontakt zu Mama oder Papa zu suchen oder sich zurückzuziehen, sobald es sich in einer Situation verunsichert fühlt. Damit ist es dem Baby einfacher und schneller möglich, seiner Bezugsperson zu verdeutlichen, was es braucht. Auch Mama oder Papa können dadurch leichter und schneller auf die Signale ihres Kindes reagieren. Dadurch bleiben beide Seiten entspannter, da es gar nicht erst zu Überforderungssituationen kommt, an deren Ende man ein unruhiges Kind beruhigen muss. 

Das Kind sollte so lang wie möglich Augenkontakt mit der Person haben, die den Kinderwagen schiebt und nicht nach vorne gerichtet sein. Dabei erfährt das Kind durch die volle Zuwendung seiner Bezugsperson: “ Jetzt bin ich ganz für dich da!“ Ihm wird damit ein lebenswichtiges Grundgefühl vermittelt: „Ich werde geliebt, ich werde gesehen, ich bin erwünscht.“ Deswegen ist es empfehlenswert auch andere Faktoren, die den Kontakt zum Baby in seiner Wachzeit stören oder unterbrechen könnten, wie z.B. das Handy oder Fernseher, möglichst zu vermeiden.

Dies festigt das Vertrauen und das Kind fühlt sich wohl und geborgen, was sich positiv auf seine Entwicklung und auch auf den Schlaf des Kindes auswirken wird. Ein entspanntes Kind ist entdeckungsfreudiger und lernt besser die gewonnenen Eindrücke zu verarbeiten-. Ein guter Schlaf beschleunigt diesen Prozess, da im Schlaf die Informationen wiederholt und differenziert werden und das Kind bald entscheiden kann, was für es selbst wichtig oder unwichtig ist.

Alternativ zum Kinderwagen eignet sich auch eine Tragehilfe, den Bedürfnissen eines Babys nach Nähe, Geborgenheit, Bindung, Sicherheit und Rückzug zu entsprechen, da dies die ursprüngliche Form ist, ein Baby zu transportieren.

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